Wenn Chang Cheng Liu einmal euphorisch wird, ist vorher einiges passiert.
Das DVV-Qualifikationsspiel zwischen Borken und Stralsund war ein Duell auf Augenhöhe (Foto: Tom Schulte)
Am Samstag um 21.40 Uhr war es reif für einen der seltenen Momente nachdem Annika Brinkmann mit einem kraftvollen Angriff den letzten Ball des Abends im Spielfeld der Stralsunder Wildcats versenken konnte. Der Endstand von 15:8 im Tiebreak bedeutete nämlich, dass in rund drei Wochen der Volleyball-Erstligist Ladies in Black aus Aachen nach Borken reisen wird - und in Borken am 13. November erstmals ein Pokal-Achtelfinale des Deutschen Volleyballverbands ausgetragen wird. Genau dieses Achtelfinal-Match hat sich Coach Chang Cheng Liu schon immer mit einem Frauen-Team gewünscht.
"Nach zehn Jahren endlich in der Hauptrunde", rief Co-Trainer Markus Friedrich wenig später völlig euphorisch den Fans der Skurios Volleys zu. Dem voran ging an diesem Abend ein "richtig geiles Spiel auf Augenhöhe" gegen bärenstarke Stralsunder Wildcats, die wirklich um jeden Ball kämpften. Sie hatten eine Woche zuvor mit einem 3:0 gegen Köln zuhause ein Achtungszeichen gesetzt und wollten nun im Westmünsterland alles klar machen für ihren siebten Einzug in den DVV-Pokal. Die Gastgeberinnen hingegen kämpften nun erst zum zweiten Mal um den Achtelfinal-Einzug - neun Mal waren sie zuvor an dieser Aufgabe gescheitert.
Dass sie bis in die Haarspitzen motiviert waren merkte man den Skurios Volleys gleich zu Beginn an. Mit 6:2 gingen sie in Satz eins schnell in Führung. Gegen Mitte des Satzes aber kam es zu einem plötzlichen Bruch im Borkener Spiel. Nun waren die Gäste um Kapitänin Anne Krohn deutlich wacher und drehten dank eines starken Blocks und ihrer guten Feldabwehr zur Überraschung der 333 Fans in der Halle den Satz. Coach Cheng Cheng Liu zog die Reißleine, doch zur ersten Borkener Auszeit stand es bereits 14:17, wenig später zur zweiten Auszeit 14:19. Aufgrund dieses Leistungseinbruchs ging der Auftakt des Pokalspiels mit 16:25 klar an die Gäste, wobei auch angemerkt werden muss, dass nicht alle Entscheidungen des Schiedsrichter-Duos Marvin Adick und Thomas Spurzem glücklich waren.
Mit unveränderter Borkener Aufstellung ging es dann in den zweiten Satz und plötzlich schienen die Eigenfehler im ersten Satz, die Abstimmungsprobleme und Eigenfehler wieder vergessen. Bei der ersten Stralsunder Auszeit lagen die Gäste aus Mecklenburg-Vorpommern bereits mit 13:8 zurück und es waren sie es, die den roten Faden verloren hatten. Das unerwartet klare 25:14 in diesem Satz ließ nicht nur die Borkener Fans jubeln - und brachte die Skurios Volleys wieder in Spiel zurück.
Dass sich die Gastgeberinnen auch den darauffolgenden Satz sichern sollten, war lange nicht absehbar. Die teilweise langen Ballwechsel begeisterten die Fans beider Teams und die Eigenfehlerquote hielt sich auf beiden Seiten in Grenzen. Während Stralsund zur 1. Technischen Auszeit mit zwei Zählern in Front lag, sah dies zur 2. Technischen Auszeit mit 15:16 schon etwas besser aus. Nach 27 Spielminuten entschied Stralsunds Anne Krohn diesen Satz, als sie einen Ball zum 25:20 verschlug.
Während die Skurios Volleys an den erfolgreichen Satz drei anknüpfen wollten, kamen jedoch ausgerechnet die Gäste besser ins Spiel. Einem 4:6 folgte schnell das 6:11. Wieder waren es unnötige Eigenfehler, verschlagene Bälle, eine mangelnde Abstimmung zwischen Block und Abwehr auch ein recht verkrampft wirkendes Spiel, welche für dafür sorgte, dass Stralsund neun Satzbälle bekam. Dann aber benötigten die Gäste fünf Anläufe, ehe sie beim 20:25 den Sack zumachen konnten und die Skurios Volleys in den Tiebreak zwangen.
Hier war es schließlich in einem starken Team die Kapitänin Anika Brinkmann, die ihre Mannschaft zum Sieg führen sollte. "Anika Brinkmann hat den Unterschied gemacht", stellte ein enttäuschter Stralsunder Coach Robert Hinz nach dem Spiel fest. Die Geehrte selbst glänzte in Satz Nummer fünf nicht nur mit einer Aufschlagserie, sondern brachte auch einige gut gezielte Bälle im Feld des Gegners unter. Trotz zweier Auszeiten der Gäste beim 6:3 und 8:4 machten die Skurios Volleys einfach munter weiter. Das Publikum feierte beim 11:4 schon lange ihre Mannschaft und so brachte auch ein vergebener Matchball der Stimmung keinen Abbruch. Als schließlich Anika Brinkmann wenige Sekunden später die Partie zugunsten der Westmünsterländerinnen entschied, herrschte grenzenloser Jubel auf den Rängen, dem Feld und auf der Trainerbank.
Vergessen sind die neun bisherigen Jahre im Pokal, dieser hart umkämpfte Sieg öffnet den Skurios Volleys nun den DVV-Pokal. Entsprechend euphorisch war nach diesen insgesamt 118 Minuten auch Chang Cheng Liu: "Ich kann mich nur bei der Mannschaft bedanken, sie haben richtig geil gekämpft!" Auf der gegnerischen Seite sah er Außenangreiferin Anna-Lena Vogel als wertvollste Spielerin, während Robert Hinz Außenangreiferin Anika Brinkmann für die goldene MVP-Medaille vorschlug.
Insgesamt 22 Tage hat Coach Chang Cheng Liu nun zur Vorbereitung aufs DVV-Achtelfinale in Borken. Dass auch noch ein Auswärtsspiel in Emlichheim sowie am 12. November ein Heimspiel gegen die DSHS SnowTrex Köln anstehen, macht die Vorbereitung nicht gerade leichter. Doch wenn dann einen Tag später der Erstligist aus Aachen anreist, hat Chang Cheng Liu bereits einen Plan in der Tasche. "Mit dem Moerser SC haben wir damals als Außenseiter das Pokal-Viertelfinale erreicht und eine große Überraschung geschafft. Das ist auch mein Traum mit diesem Team." Ob es am Ende reicht, wird sich zeigen. Doch der Pokal schreibt ja immer auch seine eigenen Gesetze.