Lange nichts gehört von Christiane Fürst (32 Jahre). Die erfolgreichste noch aktive deutsche Spielerin (u.a. 2x Vize-Europameisterin und 3x Champions League-Siegerin) war weit weg fern der Heimat und schmetterte als erste Deutsche in Japan bei den Denso Airybees in der 2. Liga. Wie es der 345-maligen Nationalspielerin dort ergangen ist und was sie zum aktuellen DVV-Team sagt, verrät sie im ausführlichen Interview.
Du bist vom Schmetterling zur Biene mutiert und hast in der Saison 2016/17 bei den Denso Airybees in der 2. Liga in Japan gespielt. Wie kam es dazu?
Fürst: Im Verlauf der letzten Saison bei Eczaşibaçi Istanbul/TUR war mir bereits bewusst geworden, dass ich nach sechs Jahren die Türkei und leider auch Istanbul verlassen wollte. Ich dachte eigentlich, dass es mich vielleicht etwas näher an die Heimat ziehen würde, jedoch gab es während der Saison einige Momente, die den Fokus bereits auf Japan lenkten. Im März letzten Jahres kam dann die konkrete Anfrage bzw. das Angebot von Denso Airybees. Sie fragten, ob ich helfen könnte, jene junge Mannschaft der Altersdurchschnitt ist 23 zurück in die Premier League zu führen und bei der Ausbildung der Mädels im Hinblick auf Tokyo 2020 zu unterstützen. Die Intention des Klubs hat mich davon überzeugt, dieses wohl letzte große Abenteuer meiner Volleyball-Karriere anzugehen und den Weg nach Japan zu wählen.
Du warst schon in einigen Ländern aktiv. Wie war es in Japan? Ist es vergleichbar mit deinen bisherigen Stationen in Deutschland, Italien oder der Türkei?
Fürst: Das Jahr war unglaublich schön und ging irgendwie viel zu schnell vorüber. Japan ist ein wunderschönes Land und die Menschen sind sehr angenehm und überaus freundlich. In Bezug auf Volleyball ist es kaum vergleichbar mit Europa. Definitiv muss man sagen, dass Japaner Trainingsweltmeister sind. So lange wie wir uns wegen Training, aber auch bei Wettkämpfen in der Halle aufgehalten haben, gibt es wohl nirgendwo sonst. Die Schnelligkeit und die Ballsicherheit sind zwei der bemerkenswertesten Kriterien des Spiels, die mir viel Freude bereitet haben. Zudem ist der Ligaalltag sehr verschieden im Vergleich zu den europäischen Ligen bzw. Wettbewerbe. Die drei Ligen - Premier League, erste und zweite Challenge League bestehen jeweils nur aus acht Mannschaften, die innerhalb der Saison dreimal gegeneinander spielen müssen. Dazu treffen sich jeweils vier Mannschaften an den Wochenenden an einen der zwei Spielorte, die über ganz Japan verteilt sind, und spielen am Samstag und am Sonntag gegen zwei der drei anderen Mannschaften. Man fährt also am Donnerstag nach dem Training zu den Wettkampforten, trainiert am Freitag und kommt am Sonntagabend zurück. Das Programm an einem Spieltag war zum Beispiel: 9:30-11Uhr Training, dann warten bis die andere Mannschaft trainiert hat, dann nochmals 30 Minuten Warm-up und um 13Uhr das Spiel. Während die ersten sechs Mannschaften der Premier League die Meisterschaft über ein Best-of-6 und eine finale Best-of-3-Runde ausspielen, kämpfen der Siebte und Achte gegen den Ersten und Zweiten der Challenge League um den Ab- bzw. Aufstieg. Außerdem gibt es zwei Prestigeturniere den Emperors Cup im Dezember in Tokyo und den Kurowashiki Cup im Mai in Osaka bei denen alle Premier League-Mannschaften, drei aus der Challenge League sowie je zwei Uni- und Highschool-Teams im Männer- und Frauenbereich auf einander treffen.
Was immer gleich bleibt: wo du bist, ist der Erfolg! Es lief prächtig! Erzähl von den Erfolgen deines Klubs!
Fürst: Das große Ziel der Mannschaft war definitiv der Wiederaufstieg. Sie zählten bereits die Tage seit den verlorenen Challenge-Matches im März 2016. Als ich im September eintraf, stand in der Halle die kleine Tafel mit rund 190 Tagen bis zu den entscheidenden Spielen um den Wiederaufstieg im März. Trotz des 1. Platz in der Challenge League bei nur zwei verlorenen 2:3-Spielen und dem Sieg der Challenge Matches gegen PFU Blue Cats am 11. und 12. März (3:2,3:0), der uns den Wiederaufstieg bescherte, war die Saison nicht einfach. Die Mädels sind teilweise sehr jung und mussten viel lernen. Es gab viele Veränderungen im technischen und taktischen Bereich. Zudem wurde das Krafttraining und Core Condition zum festen Bestandteil des Trainings. Ich habe selber zum Teil das Blocktraining angeleitet und auch manchmal mit ein paar Mädels Abwehrtechnik trainiert. Nach einer kleinen Krisenstimmung zum Jahresende, hat sich die Mannschaft sowie jede einzelne Spielerin persönlich enorm gesteigert. Bei jungen Spielern erlebt man Verbesserungen und das sportliche Wachsen in kurzer Zeit viel intensiver, was unglaublich bewegend ist. Diese Entwicklung endete darüber hinaus nicht mit dem Saisonhöhepunkt, den Challenge Matches und dem Wiederaufstieg. Zum Kurowashiki Cup in Osaka konnten wir mit Leidenschaft und Emotionen eine stärkere Teamleistung abrufen und gewannen nach sechs Tagen und sechs Spielen das zweite Mal in der Vereinsgeschichte den Pokal. Dies war mit Sicherheit mit einer der schönsten Saisonabschlüsse, die ich in meiner Karriere erlebt habe.
Dein Anteil daran war riesengroß! Du bist zum MVP der Saison gewählt worden, warst beste Blockspielerin (73 Blocks in 21 Spielen) und auch beim Pokalsieg im Dreamteam. Demnach waren dein Klub und du selbst mehr als zufrieden, oder?
Fürst: Alle sind über die gemeinsamen Erfolge überglücklich. Und mit dem Gewinn des Kurowashiki Cups haben wir sogar mehr erreicht als man sich vorstellen konnte, wenn man rückblickend den Ausgangspunkt und den Saisonverlauf betrachtet. Persönlich bin ich sehr froh, dass das Projekt Wiederaufstieg gelungen ist und dass sich die Mädels so unglaublich entwickelt haben. Das spiegelt sich auch in der Berufung von zwei von ihnen in den A-Kader, zwei in den U23-Kader und zwei für die Uni-WM wieder. Ich bin zudem sehr dankbar, dass ich die Erfahrung Japan mit diesem Club Denso und mit dieser wunderbaren Mannschaft machen durfte. Die Mädels und unsere Team-Mitglieder bringen jeden Tag aufs Neue die Leidenschaft für Volleyball zum Ausdruck.
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Geht es weiter?
Fürst: Ich habe für ein weiteres Jahr unterschrieben. Ich möchte miterleben, wie sich diese Mannschaft in der Premier League weiterentwickelt und wie konkurrenzfähig wir seien können. Zudem freue ich mich darauf, die Mädels ein kleines Stück weiter auf ihrem sportlichen Weg begleiten zu dürfen. Es gab auch ein paar Veränderungen mit dem Mannschaftszuwachs um drei Spieler aus einer Highschool- und einer aus einer Universitätsmannschaft. Einschneidend ist vor allem die Berufung von Gen Kawakita als Headcoach. Ich kenne Gen seit unserer gemeinsamen Zeit bei Vakifbank. Obwohl der Wechsel für das Team unerwartet kam und aufgrund der unglaublichen Harmonie im Team sehr emotional war, bin ich der festen Überzeugung, dass Gen der richtige Trainer ist, um das Team weiter voranzubringen und den Mädels das nötige Know-how zu geben, um sie zu den Spielern zu formen, die sie sein können.
Themenwechsel: Ihr habt am vergangenen Wochenende ein Ehemaligen-Treffen mit zehn Ex-Nationalspielerinnen in Prag veranstaltet. Wie kam es dazu?
Fürst: Die gedanklichen Initiatoren sind Corina Curry Ssuschke und Heike Beier . Die Idee entstand bei einem Besuch in Polen und wurde zugleich von allen über eine Whats-App-Gruppe Eingeladenen begeistert aufgenommen. Daraufhin fingen wir an, das Treffen zu organisieren. Zeitlich mussten die Pläne der noch Aktiven in Betracht gezogen werden und Prag war als erster Revival-Standort schnell gefunden. So trafen sich vor über einer Woche ersteinmal nur zehn Mädels und haben doch eher gemütlich zwei Tage Prag unsicher gemacht.
Zeigt das den besonderen Zusammenhalt, den ihr bei den DVV-Frauen immer hattet?
Fürst: Auf jeden Fall. Es war so, als würden wir uns zum Lehrgang treffen, nur dass es nicht hieß, in 30 Minuten zum Training in der Halle bereit zu sein. Wir haben jeden Moment genossen, viel gelacht, viel erzählt und in Erinnerungen geschwelgt. Die Vorfreude auf das nächste Revival-Treffen ist unermesslich und hoffentlich dann mit noch größerer Teilnehmerzahl!
In der vergangenen Woche spielte die aktuelle Frauen-Nationalmannschaft ihre ersten Länderspiele der Saison gegen Ungarn. Verfolgst du deine Nachfolgerinnen?
Fürst: Glückwunsch an die Mädels und das gesamte Team für den tollen Sommerauftakt. Ich habe leider keine Zeit gefunden, die Spiele live zu verfolgen, aber die Ergebnisse und die gute Berichterstattung unterstreichen, dass es ein gelungenes Wochenende war. Ich freue mich sehr, dass die Mannschaft so schnell und harmonisch zusammengefunden hat. Es scheint auch, dass die jüngeren und neu dazugekommenen Spielerinnen endlich die Gelegenheit bekommen, sich auf internationalem Niveau entwickeln und präsentieren zu können. Ich versuche soweit es geht, die Entwicklungen zu verfolgen und hoffe natürlich immer Positives zu erfahren.
Louisa Lippmann sagte kürzlich: Wir haben eine tolle Truppe und wollen das weiterführen, was die Großen geleistet haben! und meinte damit Einstellung, Spielfreude und Erfolge. Was sagst du dazu?
Fürst: Für diese wertschätzende Aussage kann ich mich nur ganz herzlich bedanken. Ich wünsche mir aber auch, dass die Mannschaft und die Mädels im Einzelnen ihren eigenen sportlichen Weg gehen und auch etwas Neues schaffen. Sie sind jung und ambitioniert. Sie verdienen es erfolgreich zu sein und den Volleyball mit Leidenschaft zu leben.
Was traust du der Mannschaft in diesem Jahr bei WM-Qualifikation, Grand Prix und EM zu?
Fürst: Ich denke, dass das Team gute Chancen bei allen drei Turnieren hat. Die WM-Qualifikation scheint von den benannten Gegnern das einfachere Turnier zu sein, wobei man den Druck eines Qualifikations-Turnieres nicht unterschätzen darf. Die Gegner beim Grand Prix sind auch überschaubar und vielleicht mit Ausnahme von Korea definitiv machbar. Die Herausforderung besteht mit Sicherheit erneut bei den vielen Reisen und dem harten Wettkampfmodus. Jedoch ist es auch eine gute Gelegenheit, sich weiterzuentwickeln und Volleyball auf einem anderen Niveau und gegen andere Spielweisen zu erleben. Das gleiche gilt für die EM. Ich drücke der Mannschaft auf jeden Fall die Daumen bei allen sportlichen Herausforderungen und wünsche einen unvergesslichen Sommer mit maximalen Erfolgen.