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Von der Nudel zur Urgewalt der BR Volleys

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Bundesligen: Von der Nudel zur Urgewalt der BR Volleys

10.10.2024 • Bundesligen Autor: Christof Bernier 141 Ansichten

Am Samstag (12. Okt um 18.00 Uhr) kommt es in der Max-Schmeling-Halle zum ewigen Duell des deutschen Volleyballs: Der 14-malige Deutsche Meister BR Volleys empfängt zum Bundesliga-Spitzenspiel den 13-maligen Champion VfB Friedrichshafen im Volleyballtempel. In der Neuauflage ungezählter Endspiele zwischen diesen beiden Teams könnte Jake Hanes eine herausgehobene Rolle spielen. Der neue Diagonalangreifer der Berliner hat bei seinen ersten Auftritten schon einige Spuren hinterlassen.

Von der Nudel zur Urgewalt der BR Volleys - Foto: Justus Stegemann

Foto: Justus Stegemann

Diagonalangreifer sind oft die umjubelten Stars ihrer Mannschaften. Weil über sie sehr viele Spielzüge laufen. Weil sie häufig die meisten Punkte zum Erfolg beisteuern. Weil sich Qualität scheinbar leicht aus Statistiken herauslesen lässt. Manche von ihnen schillern noch durch andere Dinge. Typen wie einst Benjamin Patch, der es liebte, seine Haarfarbe zu ändern und vor den Fans in der Max-Schmeling-Halle nach gelungenen Aktionen ein Tänzchen aufs Parkett zu legen. Oder wie Georg Grozer , ohne den das deutsche Nationalteam nach Ansicht vieler Experten längst im Mittelmaß versunken wäre, der mit seinen Emotionen und als lautstarker Anführer seine Mitspieler mitreißen kann wie kaum ein anderer. Ein solcher Diagonalangreifer ist Jake Hanes nicht, er tanzt nicht, er brüllt nicht. Er will es auch gar nicht sein.

"Ich lege keinen Wert darauf, der Number One Guy zu sein", sagt der 26-Jährige aus Orland Park im US-Bundesstaat Illinois, "jeder macht seinen Job im Team. Ich auch." Dazu gehört für ihn natürlich das Spektakel, also zu schmettern, was das Zeug hält. Aber ebenso, vor dem Training das Netz mit aufzubauen, wenn er als einer der Ersten in der Halle erscheint. Was oft passiert. Beim Interviewtermin sagt er freundlich "guten Morgen", reicht zur Begrüßung die Hand und sieht seinem Gegenüber interessiert in die Augen. Darauf angesprochen, erwidert er lächelnd: "Ich bin so aufgewachsen, ich halte auch die Tür für andere auf. Ich versuche, mich wie ein Gentleman zu benehmen. Das kostet mich nicht viel Energie. Aber es gibt positive Energie nach außen ab." Das klingt tatsächlich mehr nach Mister Nice Guy als nach Number One Guy. Daraus sollte man bloß keine falschen Schlüsse ziehen, was seinen Sport betrifft. Hanes kann auch anders, wenn der Volleyball im Spiel ist.

Gleich in seinem ersten Bundesliga-Heimspiel gegen die Helios Grizzlys Giesen war er mit 19 Punkten am 3:0-Erfolg maßgeblich beteiligt und wurde prompt zum MVP gewählt. Schon kurz zuvor beim 1KOMMA5° Ligacup in Hildesheim war ihm diese Ehre zuteil geworden. Kein übles Debüt, und beim ersten Auswärtsspiel in Herrsching war der US-Amerikaner erneut der punktbeste Angreifer. Dabei war der im vergangenen Juni als Nachfolger des in die Türkei gewechselten Marek Sotola von einigen skeptisch beäugt worden. Ursachen waren seine ruhige, beinahe schüchtern wirkende Art und seine etwas unorthodox wirkende Technik. Typisch Hanes: Statt Worten ließ er Taten sprechen und die Kritiker schnell verstummen. Seine gewaltigen Aufschläge, seine ebenso gewaltigen, aber selten unkontrolliert wirkenden, Schmetterbälle und seine Abschlaghöhe hinterließen nicht nur in der Statistik Eindruck. Zudem erwies er sich als guter Blockspieler, und trotz seiner 2,12 Meter Größe hielt er in der Feldabwehr erstaunlich viele Bälle im Spiel.

"Einen Marek Sotola zu ersetzen, war keine einfache Aufgabe", sagt BR Volleys-Geschäftsführer Kaweh Niroomand, "aber inzwischen kann jeder sehen, welches Potenzial Jake hat." Man müsse sich daran gewöhnen, dass der US-Amerikaner sowohl von seiner Körpersprache als auch von seinen Bewegungen nicht wie der typische Volleyballspieler wirke. "Aber dann fängt man an, auch seine Vorzüge zu sehen." Nicht allein seine pure Kraft und seine sagenhafte Armspannweite von 2,23 Metern. "Er ist unglaublich beweglich. Selten war bei uns ein Diagonalspieler auch in der Abwehr so stark. Er ist schnell unten, kann gut baggern." Wenn man seine schlaksige Art zu gehen beobachte, "dann denkst du: Das interessiert den hier alles gar nicht. Aber das Gegenteil ist der Fall. Er ist unglaublich gut im Training, sehr fleißig." Die amerikanische Siegermentalität gibt's obendrauf. "Er will alles gewinnen, hat hohe Ziele, weiß genau, wo er hinwill. Ich glaube, wir haben da ein richtiges Juwel entdeckt."

Entdeckt haben die Berliner ihren neuen "Spiker" in Polen. Dort spielte Hanes die vergangenen drei Jahre in der PlusLiga bei BBTS Bielsko-Biala und Cuprum Lubin. Nach seinem Abschluss an der Ohio State University hatte er zunächst eine Saison bei Arago de Sete in Frankreich verbracht. Allesamt keine Topteams, aber wichtige Stationen in seiner Entwicklung. Die noch längst nicht abgeschlossen sein soll. Zum ersten Mal ist Hanes, der in seinem US-Nationalteam als Zukunftshoffnung gilt, bei einem Klub, der an Titeln gemessen wird, in dem die Professionalität, aber auch der Druck immens ist - gerade auf ihn.

Er behauptet, so eine Situation habe er sich gewünscht: "Wenn du das BR Volleys Trikot überstreifst, ist die Erwartung klar. Es ist einfach eine andere Mentalität hier als bei meinen Stationen davor. Ich wollte nach Berlin wegen der Tradition des Gewinnens", sagt er, "und wegen der starken Kultur, die der Klub hat." Die Unterstützung der Berliner Stadtmission, der Nachhaltigkeitsanspruch des Vereins - ihm imponiert das. "Als Spieler kannst du nur versuchen, deine Sachen gut zu machen, aber es bleibt ein Spiel mit Bällen. Da fühlt es sich gut an, auch in anderen Dingen etwas vorwärtszubringen, in der Gesellschaft", sagt Hanes. Da macht sich jemand nicht nur Gedanken über sein Spielerdasein, sondern kann es auch ganz gut einordnen. Vielleicht liegt das nicht zuletzt daran, dass Jake Hanes in seiner Freizeit viel meditiert und Yoga macht, "um meine innere Ruhe zu finden".

Was wiederum nicht so zu deuten ist, dass er ein völlig in sich gekehrter Mensch wäre. "Ich öffne mich schon, wenn ich jemanden länger kenne", sagt er. Nur im Mittelpunkt zu stehen, ist nicht sein Ding. "Ich spare meine Kraft für andere Dinge. Auf dem Feld spiele ich mit aller Energie, die ich habe, jeden Punkt so, als wäre es der letzte." In der Mannschaft ist er angekommen. Er hat den Posten des DJ im Team von Ruben Schott übernommen, schleppt die Musikbox beim Aufwärmen und in der Kabine immer mit sich herum. "Ich mische, mal gibt es Funky Music aus den 1980er-Jahren, mal Pop aus den 2010ern." Er schätzt den guten Umgang miteinander, dass jeder jedem hilft. "Ich bin hier weit weg von meiner Familie, meinen Freunden, meinem Heimatland", beschreibt er sein Gefühl, "jetzt sind meine dreizehn Mitspieler und die Coaches und alle drumherum meine Familie."

Sein Vater hat ihn bereits in Berlin besucht, war beim Spiel gegen Giesen dabei - ein riesiger, starker Mann, genau wie sein Sohn. Jake Hanes erinnert sich an die Begeisterung und den Stolz, den sein Dad ausgeströmt habe. Und berichtet von seinen Anfängen im Volleyball. Sein älterer Bruder war sein Vorbild, mit neun oder zehn Jahren habe er begonnen, den Sport ernsthaft zu betreiben. Nicht American Football? "Oh, als Kind war ich nicht besonders stark", erzählt er lachend, "ein gegnerisches Team hat mich mal Nudel genannt, so dürr war ich. Erst als ich zum College gekommen bin, habe ich mehr Fokus darauf gelegt, kräftiger zu werden." Zum einen, weil es natürlich gut sei, um den Ball härter zu schlagen. Schon da ging es ihm aber auch darum, gesund zu bleiben, auf seinen Körper zu achten.

An eine Nudel wird heute niemand mehr denken, wenn ihm der 2,12 Meter große, 109 Kilo schwere Hanes begegnet. Seinen jetzigen Kontrahenten tritt er eher wie eine Urgewalt entgegen. Auch auf dem Münchner Oktoberfest war der Mann mit dem bayerischen Hut auf dem Kopf ein Hingucker, als er mit Daniel Malescha, Johannes Tille, Tobias Krick und Simon Plaskie nach dem Sieg gegen Herrsching einen freien Tag zum Besuch der Touristenattraktion nutzte. "Das war ein Spaß, wir waren eine lustige Truppe", erzählt er. Kurz hat er sogar darüber nachgedacht, sich eine Lederhose zu kaufen. Hat es aber dann doch sein gelassen. Er schiebt es darauf, dass er nur einen Koffer in Deutschland hat. Es ist nur eine Vermutung, aber zu viel Aufhebens um seine Person wäre Jake Hanes möglicherweise doch ein bisschen unangenehm gewesen.

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